Hoch, höher, Hongkong

Frühstück im gut besetzten Hotel ist so eine Sache. Da die Zimmer auf jeweils zwei Personen ausgelegt sind, haben wir zunächst keinen Platz gefunden. Wir haben jetzt schon Übung: Einer von uns beiden hält Ausschau nach einem Tisch, der zweite fängt schon einmal an, den Toast zu rösten (erst im Hotel merkt man, wie lang ein solcher Toaster braucht) und die meist steinhart gekühlte Butter samt Marmelade und Erdnussbutter auf einem Teller zu arrangieren. Sobald ein Tisch frei wird, setzt sich der Tisch-Scout, wartet die Anlieferung der Speisen auf dem Tisch ab, setzt sich sofort wieder in Bewegung, um Saft und Kaffee zu organisieren. Klappt gut!

Ein Spaziergang zur Mole solls als erstes sein, also rein in die Straßenschuhe und los. Soll ja gar nicht weit sein, so 1,5 bis 2 Kilometer…. Nach 4 Kilometern dann die Erkenntnis. Wir sind in die falsche Richtung gelaufen. Verd…! Nicht ärgern lassen ist die Devise – also Taxi geordert und bequem sind wir bis zum Anleger der Hafenfähren chauffiert worden. 

Was gibt es hier nicht alles zu sehen! Hongkong ist wuselig, überall Geschäfte. Überall heißt: Auf allen Etagen wird verdient. Dass man ein Restaurant im 17. Stock platziert, ist nichts besonderes. Aber auch viele andere Geschäfte sind auf den oberen Etagen platziert. Schneidereien, Einrichtungs-Studios und Geschäfte für den täglichen Bedarf befinden sich oberhalb des Straßenniveaus. Allesamt ohne Schaufenster, sind die höher gelegenen Geschäfte darauf angewiesen, Leute auf dem Bürgersteig zu postieren, die mit Prospektmaterial und breitem Lächeln in den schönsten Tönen die Leistungsfähigkeit des beworbenen Geschäfts beschreiben. Wenn einer anbeißt, wird der neue Interessent in den Fahrstuhl begleitet und dem zuständigen Verkäufer übergeben. 

Am Hafen hatten wir anderes im Sinn: Zunächst ging es uns darum, mit einem Bus-Unternehmen diese große Stadt kennenzulernen. Für zwei Tage haben wir gebucht, haben uns dann gleich einen der Busse gesucht und sind auf Erkundungstour durch Hongkong gefahren. Die Verkehrssituation hier ist geradezu atemberaubend: Mehrstöckige Kreuzungen und Straßen, mittendrin Straßenbahnen, Haltestellen, Touri-Busse, jedoch kaum Fahrräder oder Scooter. Die Fahrer der Busse sind ausgesprochene Profis, kennen ihre Fahrzeuge auf den Millimeter – und fahren auch so. Wir haben uns entschlossen, den wohl wichtigsten Übersichtspunkt Hongkongs heute schon anzusehen: Victoria Peak. Mit der berühmten Standseilbahn ging es dann steil den Berg hinauf. So steil ist der Berg, dass die Stand-Plätze für Reisende mit einer horizontalen Stehfläche ausgestattet sind, die Bänke für die Sitzenden sind ebenfalls so angelegt, dass man trotz Steigung bequem sitzen kann. Oben angekommen ging es an – natürlich – reichlich vielen Andenkengeschäften mit Rolltreppen innerhalb eines Gebäudes einige Geschosse hinauf. Dann die Aussichtsplattform: Ein dreihundertsechzig Grad Blick über die Stadt und die umgebende Natur. WOW! Eng an eng stehen hier die Hochhäuser, einige gross, breit, hoch, andere wieder geradezu winzig in der Grundfläche und trotzdem hoch, sie erinnern mehr an überdimensionierte Nadeln als an Wohngebäude. Der Straßenverkehr ist hier kaum auszumachen, zu tief sind die Häuserschluchten, zu eng die Verkehrsflächen. Die Spiegelungen in den Glasfassaden, der Schattenwurf auf den Fassaden, die unterschiedlichen Dachkonstruktionen, Hongkong beeindruckt! Wir blieben hier, bis uns kühl wurde, der Wind pfiff ganz schön über den Peak. 

Mit dem Bus haben wir dann die erste Rundreise durch die Stadt beendet. Durch die verschiedenen Viertel sind wir gefahren, jeder Stadtteil hat seine eigenen Angebote: Das Bankenviertel, das für die Shoppingwilligen perfekte Einkaufsviertel (natürlich mit allen Premium-Marken im Angebot), das Antiquitätenviertel, der Hafenbereich mit seinen aus britischer Kolonialzeit stammenden Geschichte. 

Natürlich haben wir heute Abend noch etwas vor: Die Light-Show mit, über und auf der Skyline Hongkongs. Dieses um 20.00 Uhr beginnende Spektakel sollte man sich von der Kowloon-Seite aus ansehen, also zurück mit der Hafenfähre auf die andere Hafenseite. Uh, kalt war uns mittlerweile, eine Stunde Zeit hatten wir noch…. Also, trinken wir etwas Warmes? Klar, da drüben ist etwas los, also hin! Schon standen wir mitten in einem sehr grossen Gebäude, dem Veranstaltungsort des Hongkong Kunst-Festivals. Toll! Ein breit gefächertes Angebot an Musikveranstaltungen: Portugiesischer Fado, das Bayerische Staatsorchester, das Ensemble von Pina Bausch, Artur Millers „All my Sons“, Gainsbourg Symphonic mit Jane Birkin und viele Veranstaltungen mehr. Zum 45. Mal in dieser Stadt veranstaltet und sicher einen Besuch wert! Fado haben wir nur um einige Tage verpasst, für heute ist leider nichts für unseren Geschmack dabei. 

Also, ok, sehen wir uns dann wie geplant die Light-Show an! Zehn Minuten vor dem Start waren die Plätze in der ersten Reihe natürlich schon weg. Kein Problem für uns: Die vor uns Stehenden hatten alle zu kurze Beine, problemlos konnten wir über deren Köpfe hinweg das beeindruckende Schauspiel geniessen. Auf einem Wolkenkratzer (Sky 100) auf der Kowloon-Seite lief der Countdown zur Show. Eine Zeitanzeige über fünf Stockwerke hoch, irgendwo oberhalb des 80. Stockwerks. Punkt 20.00 Uhr ging es dann los, Musik klang aus den überall verborgenen Lautsprechern, passend zur Musik änderten die Wolkenkratzer auf der anderen Hafenseite ihre Farben, die Lichtkünstler spielten mit den unterschiedlichen Fassadenformen, liessen die Türme quasi als miteinander agierende Interpreten wirken. Laserstrahlen verbanden die Hochhäuser mal miteinander, mal verbanden sich die Lichtstrahlen zu einem Fächer über dem Hafen. Die auf den Dächern installierten Laser und Scheinwerfer waren so gekonnt mit den Lichtsteuerungen der Häuser verbunden, dass der Gesamteindruck faszinierend war. 

Nun war es wirklich zu kalt, um noch irgendwo stehend zu verbringen. Los also, Marsch zurück ins Hotel, Klamotten ergänzt und gleich wieder los: Der Nightmarket in Kowloon muss es heute Abend noch sein! Seit heute mit einem neuen Gimmick auf dem Smartphone :-) einem GPS-Stadtplan kann ja nichts mehr schiefgehen! Nach einigen hundert Metern schon die ersten Stände, hier ein Karaoke-Zelt, dort etliche Wahrsager mit den unterschiedlichsten Leseunterlagen: Einige benutzten Karten, andere Handlinien, dritte die Sternbilder, auch gab es welche, die aus „gewürfelten“ Knochen- und Aststücken die Zukunft der Zahlungswilligen herauslasen. Petra hat sogar einen Stand ausgemacht, an dem eine Schildkröte die News verkündete.

Nichts für uns an dieser Stelle des Marktes, also weiter! Die Verkaufsstände drängen sich hier dicht an dicht, alles, fast alles ist zu bekommen: Spielzeuge, Laserlampen, originole ADIDAS T-Shirts, Lolex, Skorpione im Lolli, gebratene Hühnerfüsse, Gürtel, echt venezianische, muschelverzierte Gondeln, Gürtel, Brillen, Unterwäsche, CDs, DVDs, Geflochtenes, Geschnitztes, Gegossenes, Gepresstes. Alles zum Anziehen oder Aufessen.

„So, hier bleiben wir nun erst einmal!“ „Zwei kleine Bier und die Karte bitte.“ Auf unseren kleinen Plastikhockern sitzend drückte uns der vorbeifliegende Kellner die Karten in die Hand, wies uns darauf hin, dass wir unser Essen „da hinten“ noch lebend begutachten könnten. Wir haben uns dann für Frühlingsrollen, Pak-Choi-Gemüse und gebratene Ente entschieden. Ente war „da hinten“ auch schon tot. Gut so, das Essen kam dann sehr schnell.

Unsere Sitzplätze im Strassenrestaurant waren schon speziell: Direkt hinter unserem Rücken befand sich eine Querstrasse, der Abstand Autospiegel zu Rücken war manchmal nur ein paar Zentimeter, wenn da kein Fahrzeug war, waren da nach Hause strebende Menschen oder Marktbesucher. Wuselig eben. Ich erwähnte es schon. 

Nachtisch dann eben woanders! An der nächsten Strassenecke dann etwas nach unserem Geschmack: Direkt vor unseren Augen gepresster Zuckerrohr-Saft und ein Kokos-Bananen-Shake war es dann. Im Plastik-Becher mit aufgeschweisstem Folien-Deckel und durchgestochenem Strohhalm. Cool! So kleckert nix und Insekten finden den Weg zum leckeren Zucker auch nicht.

Für heute lassen wir es jetzt wirklich gut sein! War anstrengend der Tag, ab in die Falle. Gute Nacht.

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