Nach einer wunderbaren Nacht im langen, breiten, bequemen Bett mit weicher Decke hat wieder um 4.30 Uhr der Wecker geklingelt. Um 6.00 Uhr uns unser heutiger Guide in Empfang genommen. Da unser
Hotel direkt am Assi Ghat am Ganges liegt, war der Weg zum ersten Event nicht weit. Anders als in Pushkar werden die Ghats hier nicht nur für religiöse Reinigungen, sondern auch für Waschungen
von Körper und Kleidung sowie als Bootsanlegestellen genutzt. Unser Guide erzählte uns, dass wenn seine Mutter morgens nicht ihr Bad im Ganges genommen habe, sie sich den ganzen Tag schlecht
gelaunt und krank gefühlt habe.
Am Ufer des Ganges war um 6.05 Uhr jedenfalls die allmorgendliche Feuerzeremonie in vollem Gange. Sieben Brahmi ehrten Mutter Ganges durch Schwenken von Haltern mit jeweils 51 brennenden
Lichtern. Der hierbei durch verbrennende Kräuter entstehende reinigende Rauch, weitere Lichterhalter in Form einer Kobra, aus Pfauenfedern hergestellte „Fächer“, all diese Gegenstände im
Zusammenspiel mit einem ausgeklügelten Ritual ehrt den Fluss, ehrt auch Shiva, die Schutzgöttin Varanasis. Es wurde ein Gong geschlagen, ein Mädchenchor hat gesungen. An den Ghats wuschen sich
die Menschen, vollzogen ihre täglichen Rituale. Viele Stufen führen hinunter an den Ganges. Diese verhindern zum Beispiel, dass Kühe bis an das Wasser gelangen können und so das Wasser oder den
Strand mit ihrem Kot verschmutzen. Unser Guide erzählte uns, dass noch vor zwei Jahren keine Stufen und kein Strand, sondern nur Schmutz und Dreck zu sehen waren, dieser lag meterdick. Als
Indiens Premierminister Varanasi besucht hat, gefiel ihm die Stadt nicht. Er bemängelte den Dreck, stieg aus seinem Fahrzeug, krempelte die Ärmel hoch und fing an, den Schmutz zu
beseitigen. Und alle machten mit. Heute sind die Stufen und der Strand sauber, es stehen Mülleimer und an allen Stellen wird gefegt. Es ist wunderbar, was alle zusammen schaffen können, wenn nur
einer anfängt!
Dann ging es auf ein kleines Boot. Der Bootsführer musste mit einer Kurbel den alten Diesel-Motor anwerfen, dann tuckerten wir los. Vorbei an den Verbrennungsstellen und vielen weiteren Ghats
sind wir das Ufer abgefahren. Anschließend sind wir mit unserem Guide durch die Altstadt von Varanasi gelaufen, haben Chai getrunken und uns ganz viel vom ihm erklären lassen. Die Stadt hat eine
unglaubliche Atmosphäre, ist total faszinierend. Um kurz nach 10.00 Uhr waren wir wieder im Hotel, sind schon am Morgen acht Kilometer gelaufen, von den vielen Treppenstufen gar nicht zu reden!
Beim Frühstück haben wir dann ordentlich zugelangt.
Nach dem Frühstück haben wir erstmal die Fotos vom Morgen gesichtet und für euch ausgewählt. Nachmittags waren wir in der Stadt unterwegs, haben tatsächlich einen funktionierenden Geldautomaten
gefunden! Jetzt sind wir wieder flüssig. Gleich sind wir in ein Café gegangen und haben einen Ginger Punch getrunken, Ingwer, Zucker und Wasser, das Ganze ein bißchen wie ein weiches Sorbet.
Lecker! Haben uns nett mit zwei Argentinierinnen unterhalten.
Um 17.00 Uhr haben wir unseren Guide wieder getroffen. Jetzt war die Aarti-Zeremonie angesagt. Mit dem Boot sind wir wieder zu den Verbrennungsplätzen gefahren, die Feuer waren in vollem Gange.
Für gläubige Inder (90 % der Bevölkerung) ist es das Größte, in Varanasi, einer der drei heiligsten Städte Indiens, am Ufer des Ganges auf Scheiterhaufen öffentlich verbrannt zu werden. Alte
kommen in die Stadt, weil sie glauben, Mutter Ganges heilt sie spirituell, sie würden dann ohne körperliche Einschränkungen in das ersehnte Nirvana eingehen können. Die Kremation dauert bis zu
fünf Stunden, direkt im Anschluss wird die Asche dem Ganges übergeben. Viele Probleme gab es schon bei diesen Verbrennungen, berichtete Pappu, unser Guide. Er erinnerte sich gruselnd, wie er als
kleiner Junge im Ganges schwimmend einer Leiche gerade noch ausweichen konnte. Heute gehe es darum, dass eine vollständige Verbrennung sehr schwierig sei, Hüftknochen der Damen oder Brustbeine
der Herren würden nicht ganz verbrennen.
Riesige Mengen Holz werden am Ufer gelagert. Es sind so große Mengen, dass der Dschungel schon viel Fläche verloren habe. Der nächststehende Angehörige entzündet das Feuer. Wir haben zugesehen,
wie ein Scheiterhaufen aufgeschichtet und ein Leichnam darauf aufgebahrt wurde. Fünf, sechs weitere Feuer waren bereits heruntergebrannt. Nie hätte ich gedacht, dass wir so etwas sehen würden.
Die Arbeit verläuft 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Eine für uns völlig fremde Weise, mit dem Tod umzugehen. Nur mal nebenbei: Man stelle sich vor, es tauchte eine asiatische
Reisegruppe bei einer unserer Trauerfeierlichkeiten auf, um diese zu beobachten. Die Besucher würden ihre Fotoapparate zücken und wären nur mit Mühe vom Fotografieren der Einzelheiten abzuhalten.
Wir durften dies als Europäer. Und ein sehr freundlicher Mann hat uns mit den Einzelheiten bekannt gemacht, uns seine Kultur und seinen Glauben näher gebracht. Wir waren tief beeindruckt, von der
Zeremonie, von der gelebten Offenheit der Inder. Bisher an jedem Ort, in jeder Situation.
Zurück ging es wieder mit unserem kleinen Motorboot. Unser Guide hatte von einem kleinen Jungen in einem aus Styroporplatten, Plastikfolie, einigen Brettern und einem alten Fischernetz
bestehenden DIY-Boot (hübsch war das Ding auch noch) zwei kleine Schalen mit Blumen und Kerzen für uns gekauft, diese haben wir angezündet und vorsichtig ins Wasser gleiten lassen. Noch lange
haben wir unseren beiden Kerzen nachgesehen, sie folgten Seit an Seit der Strömung des Ganga, dem wichtigsten und heiligsten Fluss Indiens. Auch wenn es sich in Indien nicht gehört: Wir haben uns
öffentlich in den Arm genommen und den Lichtern lange nachgesehen. Ein wunderbarer Moment.
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