Teppichtradition

Heute Morgen haben wir uns wieder ins Auto gesetzt, die Fahrt ging von Jaisalmer nach Jodhpur, von wo unser Rewat stammt. Er hatte uns ja schon zum Lunch zu sich nach Hause eingeladen, heue war also dieser Tag. Als er seinen Kindern mitgeteilt hatte, dass er Gäste mitbringen würde, haben diese für uns auf die Schule verzichtet. Gegen 11.30 Uhr machten wir Halt, Rewat hatte hier eine ganz besondere Überraschung für uns: Wir durften bei einer Opium-Zeremonie anwesend sein. Wow! Alles war vorbereitet.

Ein wenig scheu, neugierig und bestens vorbereitet saßen einige turbanbehütete Herren auf einem Teppich, für uns waren extra Plastik-Gartenstühle aufgestellt worden. Natürlich ignorierten wir diese, zogen unsere Schuhe aus und setzten uns ebenfalls auf den schönen Teppich. Wir wollten auf Augenhöhe bleiben. Zentral war ein kurzbeiniger Tisch mit allerlei Zubehör ausgestattet, wir waren natürlich auch ein wenig unsicher und sahen uns erst einmal die gesamte Szenerie an. Eine ganze Schar Kinder stand ehrfurchtsvoll am Rand und bestaunte uns. So wie auch die dunkelhäutigen Männer,  in ihre gute Kleidung gewandet, erst einmal nur schauten. Rewat stellte die Gruppe der Teppichsitzer gegenseitig vor, das vorher an einem Getränkestand eingekaufte Bier, zwei Flaschen Kingfisher strong, wurde auf Zuruf von einem der Kinder aus dem Auto geholt. Zunächst wurde aber der Chai gereicht, ein Tee, welcher mit einigen Gewürzen und Milch veredelt wird. Schmeckt wirklich gut! 

Dann ging es schon langsam los mit der Zeremonie. Wir erfuhren, dass Opium zwar verboten sei, aber mit der Verfolgung dieses Delikts beschäftigen sich die auf dem Land ansässigen Behörden nicht. Ganz einfach, weil seit Jahrhunderten der Gebrauch dieser Droge bei speziellen Gelegenheiten, zum Beispiel Hochzeiten, mit zum Ritual gehört. Weil man genau weiß um die Wirkung. So wird ein Mann erst im fortgeschrittenen Alter von ca. 40 Jahren an einer solchen Zeremonie teilnehmen können. Die Gerätschaften sind echte Antiquitäten, von Generation zu Generation weitervererbt. Die Zubereitung ist in früheren Zeiten unter Zuhilfenahme eines spitz zulaufenden Filters, vorher wurde das Opium zerkrümelt und in Wasser gelöst, von den Schwebstoffen befreit worden. Heute verwendeten sie eine Schale, in die die Flüssigkeit durch einen Wattebausch hindurch gefiltert wurde. Die gewonnene Flüssigkeit kam dann in ein holzgeschnitztes Kännchen, welches im vorderen Bereich mit einer kleinen Tülle als Ausguss ausgestattet ist. Die Flüssigkeit nimmt man nicht selber zu sich, sie wird in die hohle Hand gegossen und dem Nächsten dargeboten. Lautstark schlürft dann der Gast die Flüssigkeit aus der fremden Hand. 

Die Stimmung hob sich noch mehr, als wir selbstverständlich nicht ablehnten. Dann wurden Süßigkeiten gereicht, passend zu dem süßlichen Getränk. Als Wirkung der Droge wurde uns beschrieben, dass eine Menge Energie freigesetzt werde, man könne ohne Müdigkeit zu verspüren eine ganze Hochzeit tanzend durchstehen. Die Kinder beobachteten und filmten die gesamte Zeit, es wurde gegackert und getuschelt. Die gesamte Atmosphäre war von Wärme und Herzlichkeit geprägt, ein für uns wirklich besonderer Moment. Nun kam das Bier dran: Rewat hatte einmal beobachtet, wie ich eine Flasche mit dem Feuerzeug öffnete, diese Fähigkeit musste ich nun unter der Beobachtung von etlichen Augenpaaren wiederholen. Es wurde gebührend gestaunt, dann um so zügiger getrunken. 

Dann, entspannt wie wir waren, wurde gefragt, ob wir rauchen wollten. Bidies – eine Zigarette bestehend aus einem Kräuterblatt mit darin eingerollten Tabakkrümeln – machten die Runde. Die Dinger gehen einem ständig aus, also holte ich die Zigaretten aus dem Fahrzeug und legte zwei Schachteln auf das Tablett. Da Marlboro als Luxusgüter angesehen werden, musste ich erst erklären, dass es bei uns zu Hause Sitte sei, das zu Teilende auf den Tisch zu legen, Jeder könne sich dann bedienen, wenn ihm danach sei. Die Schachtel machte die Runde, überall qualmte es. Nun war es an den Herren, den Spieß umzudrehen: Ein Chillum wurde mit Tabak gefüllt und auch dieses Gerät kreiste. Als ich dann nicht ablehnte und versuchte, eine anständige Qualmwolke zu erzeugen, war das Gelächter groß! Ein Chillum ist eine sich vom Ansaugbereich aus erweiternde Tonröhre, in diesem Fall kunstvoll mit Kupferdrähten veredelt. In den großen Kopf wird Tabak gefüllt, dieser angezündet. Das Teil wird dann zwischen die Hände genommen, die Handflächen werden dabei so gehalten, dass ein Hohlraum entsteht. Der Rauch gerät in die Lunge, indem man dann durch die runde Öffnung, die sich zwischen den aneinander liegenden Daumen ergibt, saugt. Es gibt hier noch weitere Einzelheiten, die zu beachten sind, aber das erspare ich euch. 

Nach Ende der wirklich schönen Zeremonie sind wir dann über Rewats Baustelle gelaufen, alles habe ich mir erklären lassen. Auch die Beschreibung des Baus spare ich ein, möchte aber meine Bewunderung für die Einstellung, ohne Kredit ein Haus auf die Beine zu stellen, nicht verzichten. Dauert dann eben noch weitere drei Jahre, ja, schade. Aber so sei es besser.

So ging es dann eben weiter in Rewats jetziges Zuhause. Ein schlichtes aus Lehmziegeln errichtetes Haus, zwei Zimmer, beide direkt vom Hof aus zu betreten. Wir wurden dann auf das Ehebett gesetzt, mehr Sitzflächen standen einfach nicht zur Verfügung. Ein Tablett wurde gebracht, auf diesem Schälchen mit sehr schmackhaftem vegetarischen Gerichten, Chabati, zwei Gläser Bier, Joghurt, Frischkäse. Die bei der Zeremonie anwesenden Kinder drängten sich in den kleinen Raum, alle an der Wand dicht an dicht aufgereiht. Alle Augen waren wieder ausschließlich auf uns gerichtet. Tatsächlich haben wir es geschafft, uns einigermaßen gut zu schlagen – die Übung, ohne Besteck nicht hungrig vom Essen aufzustehen, war geglückt!

Nachdem wir dann in Jodhpur angekommen waren und unser wunderschönes Hotel bezogen haben – Rewat ist zu seiner Familie zurückgefahren – haben wir noch einen kurzen Schlender über den Markt gemacht, der so vielfältig war, dass wir jetzt von einer weiteren Beschreibung absehen, schaut euch einfach die Fotos an. Unser Abendessen haben wir in wunderbarer Atmosphäre im Rooftop-Restaurant unseres Hotels genossen.

Es war wieder ein wundervoller Tag in Indien!

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Kommentare: 3
  • #1

    Jens (Donnerstag, 12 Januar 2017 13:43)

    Moin,

    so nu raus mit der Sprache hat das Zeug gedröhnt oder nicht, oder mehr so Gruppendiarrhoe weil einer eurer Teppich Buddies die Hand verwechselt hat?
    Oder beides, alle ne mörder flotten Otto, und alle fanden es cool?

    ;-)

  • #2

    Onkel Jens (Donnerstag, 12 Januar 2017 13:46)

    Hier noch die Warnung an Lisa A. geb. R aus Rissen ->

    "Kind , trink dein Opiumtee nur aus sauberen Händen!" ;-)

  • #3

    Olaf (Sonntag, 15 Januar 2017 04:01)

    @Jens: Nö, keine Dröhnung, natürlich die rechte Hand, Otto war im Nachbarzimmer flott unterwegs.